VIELMALS Poem by Nora-Eugenie Gomringer

VIELMALS

Einmal tanzte der Bauer so wild im Matsch, dass das Kalb sich erschreckte
Einmal nahm ich Rizinus und verlor das Kind
Einmal lief sie einem Mann nach, der sie partout nicht wollte
Einmal wollte ich einen Apfel vom Baum schütteln und bekam zehn auf den Kopf
Einmal kam ein Soldat und als ich ihm die Hand geben wollte, sah ich, dass da bei ihm keine mehr war
Einmal schoss ihr das Blut in den Kopf, als sie einen Ländler mit dem Landrat tanzen sollte
Einmal pinkelte sie im Stehen, um ihre Füße auf der eiskalten Weide zu wärmen
Einmal stand da ein Kuchenbuffet und das Haus duftete nach Erinnerungen, weil sie
keinen mehr backen würde
Einmal rief er mich beim Namen meiner Schwester
Einmal war der Bauer so müde, dass er im Stall auf meiner Schwester einschlief
Einmal erzählte ich der Lehrerin, was uns passierte auf dem Hof
Einmal kam sie zu Besuch Einmal und nie wieder
Einmal schüttelte ich die Betten und die Federn wirbelten herum wie im Märchen
Einmal sagte sie, sie wolle den Bruder in der Stadt besuchen und der Bauer sagte vielleicht
Einmal wieder sagte er vielleicht Einmal noch fragte sie
Einmal zeichnete ich einen großen Hund und schraffierte seine Umrisse, weil es wichtig ist, unberechenbar zu bleiben
Einmal kam ein Brief an meine Schwester an und der Bauer las ihn ihr vor in ihrer Kammer, der Bauer las sehr langsam
Einmal hielt ich eine Hand im Dunkeln, sie war warm und weich
Einmal war die Mutter bei uns und trank Schnäpse mit dem Bauern
Einmal berührten sich dabei ihre Hände, gleich packte sie ihre Tasche und ging, ohne auf mich gewartet zu haben
Einmal kam ich nach Hause zu einem leeren Haus, nie war ich glücklicher
Einmal fiel ein Hund in die Jauchegrube
Einmal musste der Jäger kommen, der trank auch Schnäpse
Einmal sagte meine Schwester, sie könne rennen wie der Wind
Einmal war das Fenster offen, bevor alle wach waren in diesem Haus, der Wind wehte hinein
Einmal stand ich im Nachthemd, es war sehr früh, und ich sah meiner Schwester nach, wie sie rannte wie der Wind
Einmal stellte ich Milch, Brot, Schnaps auf den Tisch
Einmal fasste er mich an, sagte Worte, die ich nicht ver- stand, zeigte Geheimnisse auf
Auf einmal war und blieb ich meine Schwester, ersetzte ein um das andere Mal einen Menschen mit einem anderen
Einmal noch sah ich die Glühwürmchen im Glas, wurde noch einmal meine Schwester
Einmal mein Bruder dann: der Wind

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