Die Frau Des Gastwirts Poem by Wolfgang Steinmann

Die Frau Des Gastwirts

Ich mag den Kuhstall. Die Schatten sind sanfter hier.
Wie Wandersterne tanzt der Staub im Licht.
Es ist so ruhig hier nach all dem Schenkenlärm,
Dem Fiedelkratzen und dem Füssescharren.
Die Kühe stehen still in ihren Boxen;
Ihr Auge sucht uns wenn wir aus dem Hellen treten;
Und rhythmisch geht ihr Maul.
‘Das ist der Stall,
Herr Zimmermann, und wie Sie sehen, nicht
mehr zu retten. Mein Mann hat ihn gebaut,
Und er ist auch schon lange nicht mehr mit uns …'

Es ist schon sonderbar, wie dieses faule, leblose Holz,
Von einem Baum gebrochen, überkreuz genagelt
Nun ein Wand geworden und die Hand, die es geschlagen,
Lang überlebt, die warme, starke Hand,
Die meinen Leib mit Liebe überall berührt.
‘Nein, brennen Sie alles nieder, jeden Balken -
Ein neuer Anfang. Die Erinnerungen lungern
Wie Würmer im Gebälk. Die Schindel, die Sie halten,
Gemasert wie der Fingerabdruck eines Riesen -
Nach seinem Tod hab' ich sie lange angestarrt:
Die Masern sind in mein Gedächntnis eingegraben.
Und die Planke dort mit ihrem Astloch, wie ein Spund -
Ich sehe eine andre Hand auf der Kante.
Nein, nicht die meines Mannes! Warum ich mich
Daran erinnere, weiss ich nicht. Es war eine kalte Winternacht.
Das Haus war voll. So voll, dass, wollten wir die Türe schliessen
Mussten wir - wie man so sagt - die Luft anhalten,
Voll sage ich? Wie eingepfercht standen die Leute im Raum!

Zwei Reisende erschienen irgendwann und standen draussen,
In der kalten Nacht, vom Lichtschein halb erfasst
Und doch im Dunkeln auch. Ich hätte sie hereingebeten,
Wenn da nur Platz gewesen wäre - die Frau war hoch schwanger -
Und ich wollte mich nicht mit meinem Mann anlegen;
Die Schoppen in der Hand, die Meute schrie
Nach mehr. Und als es endlich ruhiger geworden war
Und unsere Gäste sich ins Bett gegrölt
Oder dem Fussboden ihr Übel mitgeteilt hatten, da kam ich hierher;
Wir hatten ihnen hier etwas Platz gemacht. Der Mann stand dort
Gerade so wie Sie, und rieb die Planke mit der Hand -
Er sei ein Zimmermann, so hörte ich ihn sagen.
Sie ruhte auf dem Stroh, in ihrem Arm
Ein neugeborenes Kind. Kein Schreihals war er
Und auch nicht verschrumpelt; ruhig lag er da,
Und friedlich wie ein neugeborenes Kalb - mit grossen Augen
Blickte er umher als sähe er die Welt
Im Licht der Spreu umdunsteten Laterne
Als etwas Neues, Schönes, Unbekanntes.
Ich glaub' jetzt wird er's besser wissen, ja!
Wo mag er sein? Und warum ich mich an diesen Abend
Noch erinnere, wenn andere Erlebnisse längst der Erinnerung
Entschwanden, kann ich mir nicht erklären.
Alter Trödel wird dir oftmals solche Streiche spielen:
An ihm hängen Erinnerungen - viel zu viele ….

Doch ich muss wieder rein. Die Tische müssen gedeckt werden.
Kommen Sie doch zu uns, Herr Zimmermann, wenn Sie genug
Von diesen Kühen haben. Die Welt ist ein Jammertal,
Aber Wein und Musik machen's erträglich.

This is a translation of the poem The Innkeeper’s Wife by Clive Sansom
Wednesday, November 26, 2014
Topic(s) of this poem: christmas
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